Der Gärtner

Am diesem Dezembermorgen fegte ein stürmischer Wind durch das Dorf. Dunkle Wolken jagten über den Himmel, nur manchmal brach ein Sonnenstrahl hindurch und tauchte alles für einen Augenblick in goldenes Licht. Nach einem gemütlichen Mittagessen mit ihrer Familie machte sich Emmy auf den Weg zum Weihnachtsmarkt, wo am Nachmittag ein Theaterstück aufgeführt werden sollte. Doch bevor sie dort ankam, nahm sie einen kleinen Umweg. Irgendetwas zog sie wieder zum Haus der Familie Lindner – vielleicht gab es dort eine neue Spur.

Als sie dort ankam, blieb sie überrascht stehen. Im Garten arbeitete der Mann, den sie schon zweimal gesehen hatte – der Gärtner Herr Altenberg. Schweigend hob er einen schweren Ast auf, seine Bewegungen wirkten ruhig, fast zu ruhig, während der Wind um ihn herum tobte.

Vorsichtig trat Emmy näher. „Hallo“, sagte sie zögernd. „Ich habe Sie schon öfter hier gesehen. Helfen Sie immer im Garten der Lindners?“

Herr Altenberg blickte auf und lächelte. Doch in seinen Augen lag ein Ausdruck, den Emmy nicht deuten konnte. „Ja, ab und zu. Besonders nach so einem Sturm gibt es genug zu tun.“

Emmy rang kurz mit sich, bevor sie die Frage stellte, die ihr keine Ruhe ließ. „Waren Sie auch hier, als der Weihnachtsbaum geschmückt wurde? Haben Sie vielleicht etwas Verdächtiges bemerkt?“

Herr Altenberg hielt inne, als müsse er nach den richtigen Worten suchen. Dann schüttelte er langsam den Kopf. „Nein, da war ich nicht dabei. Ich habe nur vorher den Garten in Ordnung gebracht. Ungewöhnliches habe ich nicht gesehen.“ Einen Moment lang wirkte er, als wolle er noch etwas hinzufügen, doch dann schwieg er und wandte sich wieder seiner Arbeit zu.

Emmy bedankte sich, aber ein mulmiges Gefühl blieb. Herr Altenberg war oft in der Nähe, immer irgendwo am Rande. Seine Worte waren harmlos, aber sein Schweigen sagte mehr.

Nachdenklich ging sie weiter zum Weihnachtsmarkt. Schon von weitem leuchteten die bunten Stände und der Duft von Waffeln und gebrannten Mandeln lag in der Luft. Sophie wartete bereits auf sie, um gemeinsam das Theaterstück anzusehen.

Doch selbst als die Bühne hell erstrahlte und das Publikum lachte, war Emmys Blick ab und zu in die Dunkelheit gerichtet. Dort, wo der Wind durch die Zweige strich, dachte sie noch immer an den geheimnisvollen Gärtner – und daran, ob er mehr wusste, als er verriet.

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