
Verfroren kam Emmy schließlich zu Hause an. Der Sturm hatte längst eingesetzt, Böen fegten durch die Straßen, Regen prasselte gegen die Scheiben und selbst die starken Äste der Bäume bogen sich unter der Wucht des Wetters. Im warmen Wohnzimmer ließ sich Emmy erschöpft auf das Sofa sinken, die Hose noch feucht vom Schnee.
Ihre Mutter trat mit einer weichen Decke ein, legte sie liebevoll über Emmy und schenkte ihr ein Lächeln, das so warm war wie Kerzenschein. Kurz darauf kam ihr Vater, in den Händen eine dampfende Tasse Tee, die er ihr sanft hinstellte und sagt „Du siehst bedrückt aus, Emmy. Was beschäftigt dich?“
Emmy zog die Beine unter die Decke und starrte auf die flackernden Schatten der Kerzen. „Es ist der Weihnachtsstern … er bleibt verschwunden und egal, wie sehr ich nachdenke, nichts ergibt einen Sinn. So viele Verdächtige, so viele Möglichkeiten – und doch keine Spur.“
Ihre Mutter setzte sich neben sie und legte eine Hand auf ihren Arm. „Manchmal hilft es, alles noch einmal in Ruhe durchzugehen“, sagte sie leise. „Wenn man die Dinge von einer anderen Seite betrachtet, erkennt man vielleicht etwas Neues.“ Ihr Vater nickte zustimmend. „Wir gehen die Hinweise gemeinsam durch. Vielleicht entgeht drei Augenpaaren weniger als einem.“
Emmy richtete sich langsam auf. Ein entschlossener Glanz trat in ihre Augen, als sie ihr Schulheft hervorholte. Sie schlug die hinteren Seiten auf, auf denen sie akribisch alle Beobachtungen notiert hatte. Ihre Stimme klang fester, als sie las: „Der Stern war am 2. Dezember noch da, in einer Schachtel mit roter Schleife. Fast das ganze Dorf war eingeladen, aber niemand hat bemerkt, wann er verschwunden ist. Frau Lindner sagte, er sei ein wertvolles Erbstück. Dann gibt es Herrn Schwarz, der Weihnachten nicht leiden kann … und den Gärtner, der sich beim Keksfest so schnell aus dem Staub gemacht hat.“
Ihre Mutter dachte nach. „Und Sophies Theorie? Dass vielleicht jemand aus der Familie Lindner den Stern selbst genommen hat?“ Emmy seufzte. „Ich will es nicht glauben … aber vielleicht ist es möglich. Und die alte Dame im Antiquitätenladen … sie hat gesagt, sie hätte den Stern nie gesehen. Aber sicher bin ich mir nicht.“
Ihr Vater faltete die Hände. „Dann sehen wir uns jede Spur noch einmal an – Schritt für Schritt. Vielleicht ergibt sich ein Muster.“
Emmy hörte den Sturm draußen gegen die Fenster donnern, doch in ihr begann es leise zu glimmen. Ein Funken Hoffnung, entzündet von der Wärme ihrer Eltern und der Entschlossenheit in ihrem Herzen. „Ihr habt recht. Ich darf nicht aufgeben. Der Stern ist irgendwo da draußen – und ich werde ihn finden.“
Die drei saßen eng beisammen, während draußen Wind und Regen tobten. Zwischen Kerzenschein und Teeduft wuchs in Emmy die Gewissheit: Die Suche war noch lange nicht zu Ende.
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