
Der 19. Dezember beginnt still, doch in Emmys Herz tobt ein Sturm. Schon auf dem Schulweg spürt sie, dass sie ihre Sorgen nicht länger für sich behalten kann. In der großen Pause platzt es aus ihr heraus: Hastig erzählt sie Sophie von dem Gespräch, das sie am Weihnachtsmarkt aufgeschnappt hat. Die Worte sprudeln so schnell, dass Emmy kaum merkt, wie laut ihre Stimme geworden ist.
Es dauert nicht lange, bis sich neugierige Ohren um die beiden scharen. Wie ein Funke, der ins Stroh fällt, springt die Nachricht über: „Die Lindners sollen den Weihnachtsstern versteckt haben!“ Sofort beginnt ein aufgeregtes Flüstern.
„Das kann doch nicht wahr sein!“, ruft ein Junge empört. „Vielleicht wollten sie damit sogar Geld machen!“ „Oder sie schämen sich, weil er kaputtgegangen ist!“, wirft ein anderes Kind ein. Emmy hebt abwehrend die Hände. „Hört auf! Das war doch nur eine Idee. Wir haben keine Beweise!“ Sophie nickt eifrig. „Genau! Es war nur eine Vermutung. Wir hätten es gar nicht erst sagen dürfen!“
Doch ihre Worte verhallen ungehört. Die Neugier der Kinder hat sich längst in Eifer verwandelt. Wie eine kleine Armee selbsternannter Detektive stürmen sie nach Schulschluss zum Haus der Lindners. Mit roten Wangen und glänzenden Augen durchsuchen sie das Grundstück, spähen hinter Büsche, rütteln an Schuppentüren und pressen ihre Nasen neugierig an die Fensterscheiben.
Emmy und Sophie stehen abseits und fühlen sich machtlos. Das Ganze gerät außer Kontrolle. Und dann erscheint Herr Schwarz. Sein Gesicht verzieht sich vor Zorn und seine Stimme donnert über den Hof: „Verschwindet von hier! Das ist kein Abenteuerspielplatz!“ Schimpfend scheucht er die Kinder davon, bis sie auseinander stürmen wie erschrockene Vögel.
Emmy atmet schwer. „Es reicht“, sagt sie entschlossen. „Die Gerüchte werden immer schlimmer und sie bringen uns dem Stern kein Stück näher.“ Sophie nickt, ihre Stirn in Falten gelegt. „Aber niemand hört auf uns. Wie sollen wir das stoppen?“
Einen Moment herrscht Stille zwischen ihnen. Dann hebt Emmy den Kopf. In ihren Augen blitzt neue Entschlossenheit. „Vielleicht bleibt uns nur ein Weg: Wir müssen das Rätsel selbst lösen – schnell. Wenn wir den Weihnachtsstern finden, verschwinden die Gerüchte von allein.“
Sophie lächelt schwach, doch ihre Stimme klingt fest. „Dann tun wir es. Wir geben nicht auf.“
So fassen die beiden Freundinnen einen stillen Plan. Noch sind die Nächte lang und geheimnisvoll und die Zeit bis Weihnachten schwindet – aber Emmy weiß: Jetzt ist es an ihnen, die Wahrheit ans Licht zu bringen.
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