Der Tag vor Heiligabend lag wie ein feiner Schleier über dem Dorf – still, erwartungsvoll, fast ein bisschen schwer vor Sehnsucht. Die Kinder sprühten vor Aufregung, doch über all dem Glanz schwebte ein Schatten: Der Weihnachtsstern war noch immer verschwunden.

Die Erwachsenen nahmen die Sache nun ernster als je zuvor. In vielen Häusern wurde leise und besorgt diskutiert. Am späten Nachmittag versammelten sich schließlich einige Nachbarn im kleinen Gemeindehaus, um gemeinsam zu beraten.

„Vielleicht sollten wir eine große Suchaktion organisieren“, schlug jemand vor.

Doch nach den verletzenden Gerüchten der vergangenen Tage wagte niemand, Verdächtigungen auszusprechen. Die Erinnerung daran saß noch zu tief. Ratlos gingen die Erwachsenen auseinander, ihre Gesichter von Sorgen gezeichnet.

Am Rand standen Emmy und Sophie. Sie hatten gehofft, die Erwachsenen würden eine Lösung finden – doch nun fühlten sie sich nur noch bedrückter. „Ich hätte nie gedacht, dass das alles so schwierig wird“, flüsterte Emmy. „Am Anfang war es aufregend, doch jetzt fühlt es sich einfach nur hoffnungslos an.“

Sophie nickte leise. „Ich dachte, wir finden den Stern schnell und alles wird wieder gut. Aber nun …“ Ihre Stimme brach ab. „Jetzt scheint er weiter weg zu sein als je zuvor.“

Draußen zogen dunkle Wolken auf und der Himmel spiegelte ihre Stimmung wider. Für die Nacht war stürmisches Wetter angekündigt, und schon klopften die ersten Tropfen gegen die Fensterscheiben. Viele Nachbarn machten sich auf den Heimweg, um sich auf den Sturm vorzubereiten und in der Wärme ihrer Häuser Zuflucht zu suchen.

Emmy und Sophie blieben zurück, am Fenster, den Blick auf den grauen Himmel gerichtet. Da flackerte plötzlich ein Gedanke in Emmy auf. „Was, wenn der Weihnachtsstern die ganze Zeit hier in der Nähe war?“ Ihre Stimme klang fest, fast trotzig. „Wir dürfen die Hoffnung nicht verlieren.“

Ihre Augen begannen zu leuchten, und Sophie richtete sich auf. „Ja“, sagte sie entschlossen. „Wir werden ihn finden – noch vor Heiligabend!“

Mit neuer Entschlossenheit zogen sich die Mädchen in Emmys Zimmer zurück. Im Schein der Kerze breiteten sie Emmys Notizen aus und blätterten Seite um Seite durch – jede Beobachtung, jede Erinnerung, jeden kleinen Hinweis.

Draußen peitschte der Wind gegen die Fenster, doch drinnen wurde es immer heller – nicht durch das Kerzenlicht, sondern durch die Wärme, die in ihnen aufstieg. Zum ersten Mal seit Tagen hatten sie das Gefühl, dem Rätsel wirklich näherzukommen. Und dieser Gedanke gab ihnen eine Zuversicht, die stärker war als alle Zweifel.

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