Das Keksfest bei den Lindners

Im warmen Schein der Kerzen betritt Emmy gemeinsam mit den anderen Nachbarn das Haus der Lindners. Der süße Duft von Vanille und Zimt liegt in der Luft, vermischt mit dem feinen Aroma von Tee und Orangen. Überall stehen Teller mit frisch gebackenen Plätzchen und das leise Klirren von Tassen mischt sich mit dem gedämpften Lachen der Gäste. Das Wohnzimmer ist voller Leben – die Erwachsenen stehen plaudernd beisammen, während die Kinder zwischen den Stühlen hindurchflitzen, rotwangig und fröhlich.

Emmy hält ihr kleines Schulheft fest an sich gedrückt. Sie hat es heimlich mitgebracht, um jeden möglichen Hinweis festzuhalten. Schließlich weiß man nie, wann sich eine Spur zeigt.

Während ihre Augen durch den Raum schweifen, bleibt ihr Blick an einem Mann hängen, den sie noch nie zuvor gesehen hat. Er steht etwas abseits, die Hände verschränkt, der Blick wandernd. Sein schlichtes Jackett passt kaum zu der festlichen Stimmung und doch hat er etwas Vertrautes an sich.

Emmys Herz schlägt schneller. Sie klappt ihr Heft auf und kritzelt hastig hinein: Unbekannter Mann: ruhig, beobachtend, fremd.[ Doch ehe sie sich ihm nähern kann, zieht Sophie sie lachend mit: „Emmy! Du musst diese Vanillekipferl probieren – sie sind unglaublich!“

Emmy lacht, lässt sich kurz mitreißen, doch als sie sich wieder umdreht, ist der Mann verschwunden.

Ein Gefühl der Enttäuschung überkommt sie. Die Chance mehr über den Mann erfahren, ist verstrichen. Trotzdem bleibt Emmy entschlossen. Sie lauscht den lebhaften Gesprächen der Gäste, die immer wieder wertvolle Hinweise liefern, während sie die von Sophie angepriesenen Plätzchen genießt, die tatsächlich äußerst köstlich sind.

Gerade als sie sich eine neue Portion nehmen will, fällt ihr etwas am Boden auf – ein kleiner, silberner Schlüssel, der im Kerzenlicht schwach schimmert. Emmy hebt ihn vorsichtig auf und betrachtet ihn neugierig.

„Ein Schlüssel?“, fragt Sophie leise, die sich neugierig zu ihr beugt. „Vielleicht gehört er dem Mann von vorhin“, flüstert Emmy zurück. „Oder… vielleicht wurde der Weihnachtsstern irgendwo eingeschlossen?“

Sophie staunt. „Meinst du wirklich?“ „Ich weiß es nicht“, sagt Emmy und steckt den Schlüssel in ihre Manteltasche. „Aber irgendetwas sagt mir, dass ich ihn behalten sollte – nur für alle Fälle.“ Die beiden Mädchen tauschen einen verschwörerischen Blick, bevor sie wieder zu den anderen zurückkehren.

Draußen tanzen leise Schneeflocken vor dem Fenster und das Keksfest klingt in fröhlichem Stimmengewirr aus – doch in Emmys Tasche liegt nun ein kleiner Schlüssel, der vielleicht mehr öffnet als nur ein Schloss.

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